Hiermit möchten wir Ihnen eine interessante Entscheidung des BGH vom 19.07.2023 (BGH IV ZR 268/21) vorstellen.
Leitsatz: Das nachträgliche Verlangen eines Versicherten auf Rückabwicklung einer Lebensversicherung wegen unzureichender Belehrung bei Vertragsabschluss kann ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich iSd § 242 BGB sein, wenn er seine Ansprüche aus dem Vertrag unmittelbar bei Abschluss an einen Gläubiger abgetreten hat.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer kapitalbildenden Lebensversicherung nach Widerspruch geltend.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten mit Antrag vom 11. Mai 1999 mit Versicherungsbeginn zum 1. Juni 1999 eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen. Die Klägerin wurde dabei nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt. Mit einer dem Versicherungsantrag beigefügten Abtretungserklärung vom 11. Mai 1999 trat sie alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem abzuschließenden Versicherungsvertrag zur Sicherung eines Baudarlehens an eine Bank ab. Sie zahlte fortan die Beiträge.
Im Juli 2018 widersprach die Klägerin unerwartet dem Vertragsabschluss und verlangte zugleich die Rückzahlung der Beiträge und die Herausgabe von Nutzungen abzüglich Risikokosten. Ihre Forderung begründete sie damit, dass sie bei Vertragsabschluss 1999 unzureichend über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Ihr stehe daher ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu.
Dem Vorwurf der unzureichenden Belehrung widersprach der Versicherer nicht. Er hielt die Forderung der Versicherungsnehmerin jedoch aufgrund Verstoßes gegen Treu und Glauben iSd § 242 BGB für unbegründet, da der nachträgliche Rücktritt als widersprüchliches Verhalten anzusehen und daher ausgeschlossen sei.
Dieser Rechtsauffassung schlossen sich sowohl die Vorinstanzen als auch der in der Revision mit dem Fall befasste BGH an.
Zwar könne der Versicherer im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages in Anspruch nehmen. Denn die Rechtsfolge des „ewigen Widerspruchs“ habe er selbst herbeigeführt durch die fehlerhafte Widerspruchsbelehrung.
Etwas anderes könne sich im Einzelfall jedoch dann ergeben, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den Eindruck erweckt habe, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen, und sein nachträglicher Widerspruch deshalb als treuwidrig erscheine.
Genau davon sei in dem entschiedenen Fall auszugehen. Denn durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Vertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung sei ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet worden. Das sei auch für die Klägerin erkennbar gewesen.